Wann droht U-Haft? - Voraussetzungen für Haftbefehl und Untersuchungshaft.

 

Was ist Untersuchungshaft?

Die Untersuchungshaft ist keine Strafhaft, sondern dient allein der Sicherung des Verfahrens. Grundlage für die Untersuchungshaft ist zunächst immer ein Haftbefehl, also die schriftliche Anordnung der Untersuchungshaft durch einen Richter. Die Voraussetzungen für den Haftbefehl und somit auch für die Untersuchungshaft sind in den §§ 112 ff. StPO geregelt. Danach kann die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn dieser der Tat dringend verdächtig ist, ein Haftgrund vorliegt und die Anordnung der Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig ist.

 

Welche Voraussetzungen hat die Untersuchungshaft?

 

Dringender Tatverdacht

Damit Untersuchungshaft angeordnet werden kann, muss zunächst einmal dringender Tatverdacht vorliegen. Dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach bisherigen Stand der Ermittlungen aufgrund bestimmter Tatsachen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer rechtswidrigen und schuldhaften Straftat ist, die auch verfolgt werden kann. Der dringende Tatverdacht darf nicht mit dem hinreichenden Tatverdacht verwechselt werden, der Voraussetzung für eine Anklage ist und vorliegt, wenn eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Die Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens, indem die Tat ja gerade erst aufgeklärt werden soll, demgemäß ist also nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung, sondern auf die Wahrscheinlichkeit, ob eine Straftat begangen wurde, abzustellen.

 

Haftgrund

Die zweite Voraussetzung für die Untersuchungshaft ist das Vorliegen eines Haftgrundes. Die möglichen Haftgründe sind im Gesetz abschließend in den §§ 112, 112a StPO geregelt. Als Haftgründe kommen Flucht, Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr, die Schwere der Tat und Wiederholungsgefahr in Betracht. 

  • Flucht

Der Haftgrund der Flucht liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält. Flüchtig ist ein Beschuldigter, der sich von seinem bisherigen Lebensmittelpunkt absetzt, um sich dem Strafverfahren zu entziehen. Verborgen hält sich der Beschuldigte, wenn er seinen Aufenthaltsort vor den Behörden verschleiert, um sich dem Strafverfahren entziehen. 

  • Fluchtgefahr

Etwa 90 % derHaftbefehle werden auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt. Fluchtgefahr liegt vor, wenn bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles eine größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als dafür, er werde sich ihm zur Verfügung halten. Dabei muss die Fluchtgefahr immer aus bestimmten Tatsachen abgeleitet werden. Die generelle Möglichkeit, der Beschuldigte könnte fliehen, reicht nicht. Es müssen vielmehr konkrete Umstände für die Annahme sprechen. Für diese Prognose müssen im Einzelfall die fluchtanreizenden Faktoren mit den fluchthemmenden Faktoren abgewogen werden. Auf Seiten der fluchtanreizenden Umstände spielt die Straferwartung die größte Rolle. Zu berücksichtigen ist hier die sog. "Nettostraferwartung", also die tatsächlich abzusitzende Strafe unter Berücksichtigung einer möglichen Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach Zweidritteln der Strafe. Auf die Straferwartung allein darf die Fluchtgefahr allerdings nicht gestützt werden. Als fluchtanreizend hinzukommen können hier beispielsweise Beziehungen ins Ausland oder das Vorhandensein der finanziellem Mittel, um sich abzusetzen. Der Fluchtgefahr entgegenstehen können demgegenüber Umstände die den Beschuldigten an seinen Wohnort binden, also beispielsweise Familie, Kinder, ein Arbeitsverhältnis oder Geschäft, Immobilien sowie fortgeschrittenes Alter oder ein schlechter Gesundheitszustand. 

  • Verdunklungsgefahr

Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Beschuldigte durch sein Verhalten den dringenden Verdacht begründet, er werde in prozessordnungswidriger Weise auf Beweismittel einwirken und damit die Wahrheitsermittlung erschweren. Die Wahrscheinlichkeit solcher Handlungen muss mit konkreten Tatsachen belegt werden. Eine abstrakte Gefahr reicht hier nicht aus. Demgemäß setzt die Annahme der Verdunklungsgefahr zwei Dinge voraus. Zum einen muss der Beschuldigte bereits Anstalten gemacht haben, Beweise in prozessordnungswidriger Weise zu unterdrücken. Handlungen die Ausfluss des Schweigerechts und der Selbstbelastungsfreiheit sind dabei nicht prozessordnungswidrig. Zum anderen dürfen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sein, indem die Sache vollumfänglich aufgeklärt ist und die Beweise gesichert sind, denn sonst kann der Beschuldigte durch sein Verhalten  die Wahrheitsermittlung nicht mehr erschweren. 

  • Schwere der Tat

Für bestimmte Fälle der Schwerstkriminalität fingiert § 112 Abs. 3 StPO zudem einen weiteren Haftgrund. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings entschieden, dass die Vorschrift gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt und deshalb verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass allein aufgrund der Schwere der Tat Untersuchungshaft nur dann angeordnet werden kann, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, dass ohne Verhaftung des Beschuldigten die baldige Aufklärung  und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Mit anderen Worten es muss die Annahme von Flucht- oder Verdunklungsgefahr hinzukommen. 

  • Wiederholungsgefahr

Ein weiterer Haftgrund ist die Wiederholungsgefahr gem. § 112a StPO für bestimmte Katalogtaten. Sie ist gegenüber den anderen Haftgründen subsidiär, d.h. sie darf überhaupt erst dann geprüft werden, wenn ein vollziehbarer Haftbefehl wegen Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr nach § 112 StPO ausscheidet. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die Begehung weiterer erheblicher Taten gleicher Art oder die Fortsetzung der Straftat zu befürchten ist. Sie muss durch bestimmte Tatsachen begründet werden, die eine so starke Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Taten erkennen lassen, dass die Besorgnis begründet ist, er werde weitere Taten dieser Art begehen noch bevor er wegen der Anlasstat verurteilt wird. 

 

Verhältnismäßigkeit

Die dritte Voraussetzung für die Untersuchungshaft ist, dass Sie verhältnismäßig sein muss. Ihre Anordnung darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Straferwartung stehen. Damit scheidet die Untersuchungshaft in Bagatellfällen von vornherein aus. Die Unverhältnismäßigkeit kann sich aber auch daraus ergeben, dass ihr Zweck, also die Sicherung des Strafverfahrens, auch mit milderen Mitteln erreicht werden kann. Der Richter hat danach zu prüfen, ob das Verfahren nicht auch durch die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen gesichert werden kann, als durch die Haft und den Haftbefehl ggf. außer Vollzug zu setzten.  In der Regel geschieht dies durch die Erteilung von Auflagen oder durch Sicherheitsleistung.

 

Was passiert als nächstes?

Liegen die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft vor, erlässt zumeist der Ermittlungsrichter den Haftbefehl und der Beschuldigte wird verhaftet. Nach der Verhaftung ist der Beschuldigte unverzüglich, spätestens am nächsten Tag, dem Haftrichter vorzuführen. Der Haftrichter ist entweder der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat oder der Richter des nächstgelegenen Amtsgerichts. Dieser vernimmt den Beschuldigten sodann zum Gegenstand der Beschuldigung und entscheidet darüber, ob die Haft aufrechterhalten  oder der Beschuldigte freigelassen wird. Liegt bis dahin noch kein Haftbefehl vor, weil der Beschuldigte beispielsweise auf frischer Tat betroffen vorläufig festgenommen wurde, wird dieser ggf. jetzt erlassen. Mit Anordnung der Untersuchungshaft wird dem Beschuldigten zugleich ein Pflichtverteidiger bestellt. Auch hier hat der Beschuldigte ein Wahlrecht und darf sich seinen Verteidiger selbst aussuchen. Von diesem Wahlrecht sollte er unbedingt Gebrauch machen. Während der Vernehmung hat der Beschuldigte die Möglichkeit sich zur Sache zu äußern und sich zu entlasten. Psychologisch gesehen ist diese Situation für den Beschuldigten allerdings sehr gefährlich. Er steht in der Regel unter großem Druck und möchte so schnell wie möglich wieder entlassen werden. Nicht selten wird in dieser Lage vorschnell eine Aussage gemacht, die die Sache nur verschlimmert.

 

Sollten Sie, ein Angehöriger oder ein Freund von der Polizei vorläufig festgenommen oder verhaftet worden sein, berate ich Sie gerne über Ihre Möglichkeiten eine schnelle Haftentlassung anzustreben. Zögern Sie nicht und kontaktieren Sie mich unter

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